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Lebendiger Austausch

Lebendiger Austausch und ein klares Ergebnis Generationengespräch zum KZ-Außenlager Neckargerach
Ein strahlender Nachmittag, warme Sonne, bestes Gartenwetter – und doch kamen am 27. April über 70 ZuhörerInnen in den Bonhoeffer-Saal in Neckargerach, zum angekündigten „Generationendialog“ über das KZ-Außenlager Neckargerach. Darüber freute sich ganz besonders Bürgermeister Norman Link, denn die Gemeinde Neckargerach hatte zusammen mit der KZ-Gedenkstätte Neckarelz zu diesem Tag eingeladen. Und was die Veranstalter sich erhofft hatten, wurde Wirklichkeit: drei Generationen waren nicht nur vertreten, sondern kamen tatsächlich in ein lebendiges Gespräch.
Das lag vor allem an der klugen Moderation von Moritz Mayer, geboren und aufgewachsen in Neckargerach, inzwischen Redakteur beim Rhein-Neckar-Fernsehen und von klein auf mit den Erzählungen seiner Oma Ruth Lorenz (Jahrgang 1934) vertraut. Die hat ein Leben lang der Familie von ihren Begegnungen mit Häftlingen aus den KZ Neckarelz und Neckargerach erzählt - diese familiäre Konstellation bildete gleichsam die Keimzelle der Veranstaltung.
Doch zunächst stellte Sebastian Lenz, Lehramtsstudent aus Neckargerach, einige wissenschaftliche Fakten zum KZ-Außenlager Neckargerach aus seiner Bachelor-Arbeit vor, um für alle Beteiligten eine gleiche Wissensbasis zu schaffen. Mit Leben erfüllt wurden diese Fakten anschließend von Frau Pia Schnörr, die Oma Ruth und Enkel Moritz als weitere Zeitzeugin eingeladen hatten.
Die alte Dame (geb. 1934) berichtete, dass man im Dorf die Wachleute kannte bzw. durch Erfahrungen kennenlernte. Denn oft wurden Kinder, die Gefangenen ein Stück Brot geben bzw. gegen ein kleines geschnitztes Holzspielzeug tauschen wollten, von Wachleuten bedroht und weggejagt – deshalb ihr Fazit: „Es kam drauf an, wer Dienst hatte“. Die Kinder sahen auch, dass ein Häftling vor Schwäche zusammenbrach und in den Graben fiel, bis Kameraden ihn wegschafften. Einige wenige Kinder beobachteten vom gegenüberliegenden Hügel eine besonders grausame Erhängung im Lager. Von existentieller Bedeutung wurde für Frau Schnörr der 22. März 1945: die damals Neunjährige war, wie sie lebhaft erzählte, beim Bombenangriff auf Neckargerach schwer verletzt und von vier Häftlingen geborgen worden. Der Wachmann drohte ihnen mit Erschießung, wenn sie das Kind hätten fallenlassen – was glücklicherweise nicht passierte.
Der Sicht der Wissenschaft und der Zeitzeuginnen fügte Moritz Mayer die Innen-Perspektive des ehemaligen französischen KZ-Häftlings Yves Meyer hinzu, der das KZ Neckargerach nur knapp überlebte – und doch erst im Januar 2024 in Paris als Hundertjähriger starb.
Dann war das Publikum dran – und die Erzähl-Schleusen öffneten sich. Jüngere, Ältere und Mittlere berichteten von ganz unterschiedlichen Familienerzählungen und Schulerfahrungen. Die Bandbreite reichte vom totalen Fehlen von Erzählung oder Wissen bis zu „Wir haben es immer gewusst und besprochen – und mit anderen Berichten aus den großen KZ-Lagern verknüpft“. Als Struktur bildete sich heraus, dass die traumatische Erfahrung des Bombenangriffs vom 22.3.1945 lange Jahre die Erzählung vom Lager ein Stück weit überdeckt habe - und dass dies wohl auch so habe sein müssen. Der historische Abstand von 80 Jahren ermögliche inzwischen, das doppelte Leid in seiner jeweiligen Bedeutung zu sehen. Das von französischen KZ-Überlebenden 1953 errichtete Denkmal helfe dabei, allerdings nähmen viele es im Wortsinn nur „am Rande“ wahr.
Als Moritz Mayer abschließend fragte, ob die Erinnerung an das KZ- Lager im Dorf bewahrt werden solle, waren sich alle einig, dass Vergessen nicht in Frage komme. „Das waren arme Deifel – do sollt mer immer dra denke!“  Überlegungen dazu, wie das genau aussehen könnte, hätten an diesem Tag sicher den Rahmen gesprengt – denn viele gingen anschließend mit zum Denkmal, um dort eine Blume in eine große Vase zu stellen. Vielleicht bietet ein Nach-Gespräch für Interessierte die Gelegenheit, sich hierzu einige Gedanken zu machen.